Zum ersten Geburtstag unseres Kinds habe ich euch im letzten Beitrag unsere Erstausstattung für die Babypflege gezeigt. Ein paar Wochen und einen Umzug später kommt nun endlich auch das zweite Baby-Fazit. Dieses Mal geht es um unsere Erfahrungen nach einem Jahr Wickeln mit Stoffwindeln. Inzwischen sind doch einige Wochen seit dem Geburtstag ins Land gegangen, daher kann ich jetzt auch wirklich von einem Jahr sprechen. Denn wir sind nicht von Anfang an mit den Stoffies, wie sie viele liebevoll nennen, eingestiegen. Aber dazu später mehr. Wir haben inzwischen auf jeden Fall ausreichend Geschäftchen versorgt, um die wichtigsten Erkenntnisse und Tipps mit euch zu teilen.
Da ich hier nicht auf alle Details vom Wickeln mit Stoffwindeln eingehen kann, möchte ich euch erst einmal etwas Lesestoff empfehlen. Für so ziemlich jede Frage, die euch kommen kann, findet ihr im Windelwissen-Blog von Julia eine Antwort. Praktisch sind ihre Beiträge zu den verschiedenen Altern/Situationen, denn nicht jeder steigt ja direkt nach der Geburt ein.
Welcome to the System-Jungle
All-in-one, Pocketwindeln, Prefolds – wer sich für das Wickeln mit Stoffwindeln entscheidet, scheint erstmal eine neue Sprache lernen zu müssen. Das sieht erstmal kompliziert aus, ist aber eine sinnvolle Vielfalt für unterschiedliche Ansprüche. Bei Windelwissen findet ihr eine tolle Übersicht über die verschiedenen Systeme. Wir haben uns gleich zwei verschiedene angeschafft und sie haben sich beide bewährt. Meist nutzen wir die Kombination aus einer wasserdichten Überhose und Mullwindeln. Unsere Überhosen sind genaugenommen Pocketwindeln, in die man die Einlage einschieben kann, aber wir legen sie einfach oben drauf. Die Mullwindeln, die ihr vielleicht als Spucktuch kennt, sind toll, weil man sie mit dem Kind mitwachsend flexibel falten kann. Für alle, die jetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen: Mit den Windeltüchern putzen wir dem Baby später nicht das Gesicht ab. Wir haben zwei gut unterscheidbare Stapel für die zwei Zwecke ;-).
Während diese Kombi auch immer noch unser Standard ist, hat sich das zweite Set inzwischen doch nicht als Fehlkauf herausgestellt. Das ist eine All-in-One-Windel, bei der die Einlage (aus Bambusfasern) mit Druckknöpfen in der Überhose befestigt wird. Wie bei den Pocketwindeln haben wir auch hier mitwachsende Modelle gekauft. D.h., dass die Überhose durch Druckknöpfe verkleinert werden kann. Dieses spezielle Modell für die Figur unseres Kinds aber am Anfang zu wulstig und sie hielten dadurch nicht immer dicht. Da wir aber keinen anderen Hersteller ausprobieren wollten, blieben sie erstmal im Schrank. Seit wir sie komplett offen nutzen können, greife ich aber immer öfter danach. Durch die fixe Einlage und die Klettverschlüsse sind sie nämlich auch dann schnell angezogen, wenn das Krabbelkind keine Zeit zum Wickeln hat.
Wie viel Waschgänge dürfen es sein?
Zur nächsten Frage: Wie viele Windeln braucht ihr? Eine Orientierung dafür findet ihr auch bei Windelwissen. Welche Menge für euch passt, hängt davon ab, wie oft ihr waschen wollt und könnt. Und davon, wie viel zusätzliche Wäsche ihr habt, um die Maschine aufzufüllen und ressourcenschonend zu waschen. Es gibt zwei „Extreme“. Entweder ihr kauft gerade so viele, dass ihr jeden zweiten, maximal dritten Tag waschen müsst. Das setzt voraus, dass ihr genügend dreckige Handtücher etc. als „Füllmaterial“ habt. Denn mit dem meisten Systemen sollte eine durchschnittliche Waschmaschine mit der Menge von zwei Tagen noch nicht voll sein. Dafür könnt ihr dann alle Windeln direkt vom Popo in ein Behältnis werfen. Bis es Zeit ist alles in die Maschine zu kippen, stinkt es nicht (zu arg). Je länger nasser Urin sich zersetzen kann, umso mehr stark riechender Ammoniak entsteht.
Alternativ könnt ihr den Weg gehen, der für uns sehr gut funktioniert. Wir sind mit Einlagen für 4-5 Tage versorgt. Damit unser Bad aber nicht durchgängig nach altem Pipi riecht, hängen wir die benutzten Windeln zum Trocknen auf und stecken sie dann in einen Wetbag. Natürlich riechen auch Stoffwindeln nicht zuletzt durch den Stuhlgang trotzdem nicht nach Rosen. Da zumindest machen Stoffies oder Wegwerfwindeln keinen Unterschied. Daher ist es ganz gut, dass der Wetbag geruchsdicht ist.
Alter und Schönheit schließen sich nicht aus
Anders als bei Wegwerfwindeln kauft ihr Stoffwindeln in der Regel nur einmal und dann gleich alle, die ihr bis zum Ende der Wickelzeit braucht. Entsprechend sind es eben nicht mal ein paar Euro hier, ein paar Euro da, sondern gleich ein Batzen auf einmal. Und je nach Menge und Hersteller könnt ihr auch ordentlich in die Tasche greifen. Rechnet man hoch, was all die Wegwerfwindeln am Ende kosten, seid ihr aber schnell wieder im Plus. Nichtsdestotrotz ist der Preis eines der Argumente dafür, die Augen nach gebrauchten Stoffwindeln offen zu halten. Wir haben unsere beiden Sets günstig als Komplettpakete online gefunden. Sowohl Vinted als auch (ebay) Kleinanzeigen sind voll davon und die Auswahl an Marken und Mustern ist riesig.
Neben dem Preis spricht beim Wickeln mit Stoffwindeln auch die Umweltbilanz für Second Hand. Wie ich schon in meinem Beitrag zu Stofftaschentüchern festgestellt habe, ist entscheidend, dass keine neuen Ressourcen gebraucht werden und, dass die Nutzungsdauer verlängert wird. Leider sind die Studien zu dem Thema, wie ihr bei der Windelmanufaktur nachlesen könnt, veraltet. Als grober Richtwert taugen sie dennoch. Selbst mit deren Datenlage kann man sagen, dass Stoffwindeln umweltfreundlicher sind, wenn mindestens 2 Kinder damit gewickelt werden. Und das halten sie auch locker aus. Unsere Pocketwindeln, die neu eher so zu den Billigheimern gehören, wurden vor unserem Kleinen von mindestens einem anderen Kind getragen und zeigen keinerlei Ermüdungserscheinungen.
Wickeln mit Stoffwindeln ist flexibel und wächst mit
Gerade im ersten Jahr verändern sich das Kind und dessen Ausscheidungsverhalten immer wieder. Hier punktet die Flexibilität der Kombi Mullwindeln und Überhosen. Am Anfang haben wir die Mullwindel noch so gefaltet, dass sie möglichst gut am Kind sitzt (Dreieck mit Steg). Gerade bei schmalen Kindern erspart das die ein oder andere ausgelaufene Windel. Später, wenn das Pipi länger gehalten wird und entsprechend mehr auf einmal rauskommt, bewährte sich eine Faltung mit mehr Lagen vorne (siehe F wie falten). Die ist gleichzeitig schneller anzulegen, ein weiteres Plus bei den immer aktiver werdenden Kindern.
Was bei uns überhaupt keine Verwendung findet, ist Windelvlies. Die „Auffangtücher“ fürs große Geschäft, die danach in den Müll geworfen werden, sind für viele unabdingbar. Der Muttermilchstuhl muss fürs Waschen nicht entfernt werden. Daher kann dafür grundsätzlich gut darauf verzichtet werden. Danach ist es Abwägungssache. Wir kratzen das Häufchen schnell mit einem alten, sonst ungenutzten Plastiklöffel ins Klo.
Stoffwindeln sind angenehm – auch für das Kind
Grundsätzlich sind Stoffies atmungsaktiver, da sie je nach Hersteller einen geringen oder gar keinen Kunststoffanteil haben. Dadurch gibt es seltener einen gereizten oder entzündeten Windelbereich. Wir hatten selten einen richtig roten Popo und wenn, dann in der Regel nicht aufgrund der Windeln. Was bei Stoffies fehlt, ist das trockene Gefühl, nachdem etwas rein gemacht wurde. Manche Kinder stört das mehr, manche weniger. Der Bezug zur Nässe finden wir Eltern aber wichtig. Denn so angenehm es für uns ist, eine volle Windel noch eine Weile dran lassen zu können, die Kleinen verlieren jedes Gefühl für ihre Ausscheidungen und wir müssen es ihnen später wieder „antrainieren“. Und i.d.R. ist es für die meisten Kinder in Ordnung, wenn nicht jeder Tropfen sofort wieder verschwindet.
Aber: Macht euch nicht mehr Stress als nötig!
Zum Schluss noch der fast wichtigste Tipp von allen: Nehmt das alles nicht zu streng! Natürlich ist es schön, dass wir mit Stoffies jede Menge Müll vermeiden und Ressourcen schonen und unseren Kleinen etwas Gutes tun. Aber trotzdem ist alles nicht umsonst gewesen, wenn ab und zu doch mal eine Wegwerfwindel zum Einsatz kommt. Obwohl wir uns schon vor der Geburt mit Stoffwindeln eingedeckt hatten, haben wir, als wir unsere Erstausstattung zusammengesammelt haben, auch gleich eine Packung (Öko-)Einmalwindeln bereitgelegt. Praktische Wickelerfahrung hatten wir nämlich, wie so viele frisch gebackene Eltern, quasi nicht. Und da ein Neugeborenes sowieso schon so viele Fragen aufwirft, wollten wir uns in Sachen Wickeln keinen Stress machen. Dieses Backup in der Hinterhand zu haben, hat uns da auch echt den Druck rausgenommen und den Einstieg erleichtert.
Als das Baby dann auf der Welt war, sorgte unsere Ungeübtheit dann für die ein oder andere ausgelaufene Windeln, sodass wir uns nicht gleich an die Stoffies herantrauten. Nach ein paar Wochen üben stiegen wir dann tagsüber um. Da unser Wickeltisch im Bad steht und wir nachts nur ungern aufstehen wollten, blieben wir hier bei Wegwerfwindeln. Irgendwann konnten wir sogar auch nachts auf Stoff umsteigen. Wenn es hin und wieder doch geschickter ist, weil wir nicht waschen können und der Vorrat an sauberen Windeln nicht ausreicht, greifen wir wieder zur Variante für die Tonne. Und das ist für uns auch völlig in Ordnung.
Wie geht es für uns mit den Stoffies weiter?
Ihr habt es sicherlich gemerkt: ich bin ein echter Fan vom Wickeln mit Stoffwindeln. Nach einem Jahr stehe ich aber immer noch vor weiteren Herausforderungen. Seit das Kind läuft, ist es noch weniger davon begeistert, eine Pause auf dem Wickeltisch einzulegen. Gleichzeitig haben wir aber auch schon angefangen das Töpfchen als Option anzubieten und hoffen, es die nächsten Monate auch als solche zu etablieren. Daher werde ich mich bald nach Möglichkeiten umsehen, diesen Schritt zu erleichtern. Unsere neue Wohnung hat zudem nicht so empfindliche Böden und einen Garten hat, also bleibt die Windel erstmal öfter weg. Wenn es wieder kühler wird, werde ich vermutlich ein paar Trainer-Höschen anschaffen, um das selbstständige Ausziehen zu erleichtern.
Auf jeden Fall werden uns die Stoffies noch eine Weile begleiten, daher ziehe ich hier auf dem Blog bestimmt noch ein weiteres Fazit. Spätestens dann, wenn wir windelfrei sind. Bis dahin hoffe ich, dass ich mit unseren Erfahrungen dem ein oder anderen von euch den letzten sanften Stubs für das „Ja“ zum Wickeln mit Stoffwindeln gegeben habe, den ihr noch gebraucht habt. Und ich beantworte natürlich gerne alle offenen Fragen, die euch bleiben. Schreibt mir einfach in die Kommentare 🙂
Das spricht für das Wickeln mit Stoffwindeln
- Zero Waste-freundlich: Selbst mit Wegwerfwindeln als Backup und optionalem Windelvlies könnt ihr jede Menge Abfall sparen.
- Umweltfreundlich: Die Klimabilanz von bis zum Ende der Lebensdauer genutzten Stoffies ist deutlich besser als die herkömmlicher Einmalwindeln.
- Hautfreundlich: Durch die bessere Atmungsaktivität ist der Windelbereich besser vor Reizungen geschützt.
Weitere Infos zum Thema:
- 7 gute Gründe Stoffwindeln zu benutzen! (stoffywelt.de)
- Umwelt schonen: Stoffwindeln vs Wegwerfwindeln (windelwissen.de)
Hallo, ich hab mich bei unserem Kind auch für Stoffwindeln entschieden. Mein Mann war entsetzt. In etwa: Das macht niemand, den wir kennen und seine Geschwister haben das bei keinem Kind gemacht. Sogar die Hebamme (Ü60) hat mir abgeraten. Ich bin aber dran geblieben. Hab mich anfangs mit gebrauchten eingedeckt. Wir nutzen auch Wegwerfwindeln, wenn wir länger weg sind oder auch nachts. Aber ich würde es wieder tun. Und mein Mann war nach kurzer Zeit auch begeistert. Haben eine Waschküche und abends kommen die vollen Windeln dort hin. Wet bag brauch ich somit nicht. Hab auch verschiedene Einlagen aus Handtücher genäht. Die sind saugfähig und sehr angenehm. Hab ich mittlerweile auch für mich und meine sehr starke Periode für zuhause und die Nacht. Spül sie beim Wechseln kurz kalt aus und geb sie zur Wäsche. LG
Hallo Simone,
es freut mich immer zu hören/lesen, wenn sich Familien trotz entgeisterten Rückmeldungen für Stoffies entscheiden. Meine Hebamme (auch etwas älter), hat das ganze recht neutral kommentiert. Aber vielleicht auch, weil ich mich da schon ausführlich damit beschäftigt und fest entschieden hatte. Das Argument, dass das ja sonst keiner im Umfeld macht, finde ich immer besonders schwach. Eine Waschküche ist ja richtig praktisch. Manchmal sah unser altes, etwas kleineres Bad echt aus wie ein Waschsalon 😉
Zur Monatshygiene will ich auch mal noch einen Erfahrungsbericht schreiben. Ich bin auch ein Fan von Stoffbinden (teils auch aus Handtüchern selbst gemacht). So viele zweite Leben für unsere aussortieren Sachen!