Sprechen wir über ein unangenehmes Thema: Wir als Gesellschaft konsumieren zu viel Kleidung. Das ist weder für die Natur oder das Klima noch für die Menschen gut, die unsere Kleidung herstellen. Trotzdem kaufen wir Mode in großer Menge. Und jedes fünfte Kleidungsstück wird nie getragen. Gleichzeitig scheint es unser gesellschaftlicher Running Gag zu sein, dass wir am Ende vor dem Schrank stehen und nichts zum Anziehen finden. Auch wenn ich inzwischen sehr bewusst Kleidung kaufe, muss ich gestehen, dass es mir manchmal genauso geht. Daher versuche ich nun seit längerem meine Garderobe umzugestalten. Mein Ziel ist ein minimalistischer Kleiderschrank, der gleichzeitig für jeden Anlass etwas bietet.
Inspiration dazu findet ihr online genug. Von Capsule Wardrobe mit einer bestimmten, je nach Autor wechselnden Anzahl an Kleidungsstücken bis zum Projekt 333 mit genau 33 Stücken für drei Monate ist für strukturliebende Menschen genug dabei. Mir ist das alles etwas zu starr. Und bisher hatte ich auch nicht die Muse dazu, mich über mehrere Wochen oder Monate intensiv mit meinem Kleiderschrank zu beschäftigen. Vielmehr ist mein Ziel langsam über die Zeit eine noch nicht festgelegte Menge an Lieblingsstücken zusammenzustellen. Damit das gelingt, stelle ich mir vor jeder Neuanschaffung drei Fragen.
Frage 1: Werde ich es gerne tragen?
Als ich jünger war, landete gerne einmal ein Kleidungsstück in meinem Schrank, das ich quasi nie anhatte. Meist war es schlichtweg nicht mein Stil, saß nicht optimal oder war unbequem. Generell stört es mich aber sehr Dinge zu besitzen, die ungenutzt rumliegen und damit umsonst hergestellt und gekauft wurden. Schade um die Ressourcen und das Geld! Und so war mir schon lange jedes dieser fehlgekauften Kleidungsstücke in Dorn im Auge. Darum versuche ich nun bei jedem Kauf ganz ehrlich zu mir zu sein. Gefällt mir das Stück wirklich an mir? Fallen mir Situationen ein, bei denen ich es anziehen würde, ohne, dass ich mich darin unwohl fühle?
Mir kommt entgegen, dass mein Mann nicht nur einen guten Geschmack hat, sondern auch gerne beratend zur Seite steht. Sind wir beide nicht überzeugt, wandert das Stück nicht in die Einkaufstasche. Ansonsten versuche ich ein offenes Auge dafür zu haben, was ich oft trage und worin ich mich wohl fühle. So lande ich oft bei schlichten und bequemen Teilen und lasse den schicken, engen Rock lieber im Geschäft. Da kann er noch so eine schöne Figur machen 😉 Bei euch sieht das Wohlfühloutfit vielleicht ganz anders aus oder euer tägliches Umfeld verlangt einen bestimmten Dresscode. Wichtig ist am Ende, dass ihr euch sicher seid, dass ihr das Kleidungsstück auch anziehen werdet.
Frage 2: Habe ich bereits etwas in der Art?
Sich eng am bisherigen Stil zu orientieren, birgt eine Falle. Denn zu viel Gleiches bringt nichts, wenn genau das gerade nicht zum Anlass oder zur Laune passt. Mein Guilty Pleasure sind da gestreifte Oberteile. Jedes Mal, wenn ich eines sehe, denke ich: „Wie schön, das würde ich anziehen!“. Aber mal ehrlich: Ich habe schon mehrere davon, das reicht. Das lässt sich auf vieles andere übertragen. Ich habe für den Alltag nur eine schmal geschnittene Jeans ohne Waschung. Eine Zweite hätte keinen Mehrwert. Ein Modell mit Waschung oder in einer anderen Farbe schon eher. Die drei identischen, weißen Tops, die ich gerne auch als Unterhemden anziehe, sind dagegen alle drei ein wertvoller Bestandteil meiner Garderobe. Denkt also kurz darüber nach: Brauche ich wirklich mehrere dunkelblaue T-Shirts oder Jeans-Miniröcke oder geblümte bodenlange Kleider oder, oder, oder? Eure Antworten sind sicherlich andere als meine, aber selten immer „Ja“.
Frage 3: Kann ich es ausreichend kombinieren?
Nehmen wir also an, ich habe ein neues Kleidungsstück in der Hand, von dem ich sicher bin, dass es mir steht und gefällt. Und es gleicht auch keinem anderen Stück in meinem Schrank. Dann schnell mal kaufen, oder? Nicht ganz. Denn es gibt noch eine Falle, in die ich schon öfter getappt bin. Hand hoch, wer schon mal etwas unbedingt kaufen wollte und die Rechtfertigung lautete irgendwie wie folgt: Da muss ich ja nur noch xy kaufen und schon kann ich es anziehen. Beispielsweise fehlt zu dem Rock nur noch ein farblich passendes Oberteil im Schrank. Oder zu der Hose ein passender Gürtel und Schuhe mit einer bestimmten Absatzhöhe. Die fehlenden Teile werden aber nie gekauft und so wird das gute Stück irgendwann ungetragen aussortiert.
Been there, done that…. Gut, dass ihr diese Falle leicht umgehen könnt. Denk immer kurz darüber nach, ob das neue Teil mit dem Bestand harmoniert. Je mehr bereits vorhanden ist, mit dem es kombiniert werden kann, umso höher die Chance, dass ich es anziehe. Und damit auch, dass ich es kaufe. So baue ich mir nach und nach eine Garderobe auf, die aus vielen miteinander kombinierbaren Kleidungsstücken besteht.
Mein Minimalistischer Kleiderschrank: da stehe ich
Ich achte nun schon ein paar Jahre darauf, was ich kaufe. Anfangs habe ich „nur“ versucht, meinen Stil zu finden und damit quasi die erste Frage zu beantworten. Zeitgleich zu meinem wachsenden Bewusstsein für meinen Impact auf die Welt, haben mein Mann und ich angefangen unser Leben zu entrümpeln. Auch wenn ein minimalistischer Kleiderschrank also nicht von Anfang an mein Ziel war, bin ich auf dem Weg dahin gelandet. Inzwischen ist alles, was neu dazu kommt, entweder gebraucht, Fair Fashion oder in ganz wenigen Ausnahmen „konventionell“, aber hochwertig und langlebig. Für die Schwangerschaft und Stillzeit habe ich überhaupt nichts neu gekauft. Als nichts mehr passte, habe ich ein paar Stücke Second Hand gekauft. Seither habe ich zwar noch ein paar Stücke aussortiert, aber, Socken und Unterwäsche mal ausgenommen, nichts neu dazu gekauft.
Mit der aktuellen Menge an Kleidungsstücken bin ich schon recht zufrieden. Hier und da ist es noch etwas zu viel. Nach wie vor habe ich Stücke, die ich nicht so gerne trage oder für irgendeinen ominösen Anlass aufhebe. Da ich aber während der Stillzeit viele Sachen nur deshalb nicht anhatte, weil sie dafür unpraktisch waren, habe ich das Ausmisten noch aufgeschoben. Die Winterklamotten, die ich letzte Saison über nicht getragen habe, habe ich bereits aussortiert. Das Gleiche mache ich nochmal nach dem Sommer. Dann werde ich klarer sehen, was mir wirklich noch fehlt und gezielt danach suchen.
Was kann für dich dabei rausspringen?
Die Vorteile eines reduzierten Kleiderschranks gehen über die Auswirkungen auf Umwelt und Natur hinaus. Durchbrechen wir die Konsumspirale von schnelllebiger, billiger Mode und setzen auf Qualität und faire Preise, können wir die Lebensbedingungen für alle entlang der Lieferkette verbessern. Aber auch mit uns selbst macht der andere Fokus etwas. Das „Konkurrenzdenken“ um das beste, schönste, modischste Outfit war für mich nie ein freudiger Teil meines Lebens. Mir stundenlang über meine Kleidung Gedanken zu machen, macht mich nicht glücklich. Je weniger Zeit ich dafür in meinem Alltag einräume, umso freier und selbstsicherer fühle ich mich. Und trotzdem renne ich nicht ewig mit den gleichen, langweiligen Klamotten rum. Durch gezielte Käufe bleibt mein Kleiderschrank lebhaft. Gleichzeitig habe ich Stücke, die ich seit Jahren mit Freude trage. Ein minimalistischer Kleiderschrank kann für euch also eine Bereicherung sein und steht nicht zwingend für Verzicht.
Darum ist ein minimalistischer Kleiderschrank gut für alle:
- Mentalen Platz sparen: Vom Einkaufen bis zum Outfit zusammen stellen – ein minimalistischer Kleiderschrank mit vielen Kombinationsmöglichkeiten macht euren Kopf freier.
- Physischen Platz sparen: Weniger Kleidung bedeutet, dass euer Kleiderschrank kleiner ausfallen kann.
- Geld sparen: Selbst mit Fokus auf hochwertiger, langlebiger Fair Fashion spart ihr letztendlich Geld dadurch, dass ihr weniger Teile braucht und kauft.
Weitere Infos zum Thema:
- Der ultimative Fast Fashion Check: 57 Fakten über die Folgen der Textilindustrie (fairlier.de)
- Ohne Kauf kein Rausch (sueddeutsche.de)